Rechtlicher Hintergrund zur Beschlagnahme von Gebäuden
veröffentlicht am: 10.11.2015
Aktuell wird viel über die Beschlagnahme von Gebäuden zur Unterbringung von Flüchtlingen diskutiert. Doch die geltenden rechtlichen Grundlagen für eine solche Beschlagnahme sind relativ eng gefasst.
Bei der Beschlagnahme handelt es sich um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. Die Rechtsgrundlage für eine Beschlagnahme findet sich daher in den Polizei- bzw. Sicherheits- oder Ordnungsgesetzen der einzelnen Bundesländer. Dort ist die Beschlagnahme von Sachen – also auch von Immobilien – entweder als eine sogenannte Standardmaßnahme geregelt oder es erfolgt der Rückgriff auf die sogenannte Generalklausel. Die Beschlagnahme ist grundsätzlich jedoch nur zulässig, um eine Gefahr für Leib und Leben abzuwenden, die einer Person aufgrund von Obdachlosigkeit droht. Hierbei spielt es keine Rolle, um welche Person es sich handelt. Auch der ausländerrechtliche Status der Person ist unerheblich.
Aufgrund der hohen rechtlichen Hürden, die sowohl die Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung gesetzt haben, ist es in der Vergangenheit relativ selten zu Beschlagnahmen von Immobilien für die Unterbringung von Obdachlosen gekommen. In der Regel hat es sich hierbei um Fälle gehandelt, in denen der Mieter aus einer Wohnung geräumt wurde. Falls kurzfristig keine andere Unterbringung möglich war, wurde die Wohnung, aus der der Mieter geräumt wurde, beschlagnahmt und der Mieter konnte dort so lange wohnen, bis eine andere Unterbringung organisiert werden konnte. Der Eigentümer der Wohnung wurde hierfür von der Gemeinde entschädigt.
Auch wenn die Beschlagnahme von Immobilien auf unterschiedlichen landesspezifischen Rechtsgrundlagen beruht, sind ihre Voraussetzungen aber in der Regel identisch. Es muss stets eine Obdachlosigkeit vorliegen oder unmittelbar drohen. Des Weiteren darf die betroffene Person keine anderweitige Möglichkeit einer Unterkunft haben. Nur unter diesen Voraussetzungen sind die Polizei- bzw. Ordnungsbehörden verpflichtet, die Personen unterzubringen.
Bei der Wahl der Unterbringungsörtlichkeit muss die Behörde eine Abwägung treffen. Zunächst muss sie auf eigene Unterbringungsmöglichkeiten oder von Privatinitiativen getragene Unterbringungsmöglichkeiten für Obdachlose zurückgreifen. Nur wenn diese Kapazitäten erschöpft sein sollten, kommt eine anderweitige Unterbringung in Betracht. Bei der Wahl der anderweitigen Unterbringung muss die Behörde berücksichtigen, wen sie in Anspruch nimmt. Da der Gebäudeeigentümer die Obdachlosigkeit in der Regel nicht schuldhaft verursacht hat, sind die Hürden für den Rückgriff auf seine Immobilie besonders hoch. Eine Beschlagnahme kommt daher nur in Betracht, wenn eine anderweitige Unterbringung scheitert. Wenn also weder in den Unterbringungsmöglichkeiten der Gemeinde, noch in denen von privaten Trägern freie Plätze zur Verfügung stehen, muss die Gemeinde zunächst versuchen, zusätzliche Unterkünfte zu errichten, anzumieten oder anzukaufen. Sie muss also auch den Eigentümer der Immobilie zuvor ansprechen, ob dieser bereit ist, seine Räume zu vermieten oder zu verkaufen. Erst wenn dies scheitert und sie auf anderem Weg keine Unterbringungsmöglichkeiten erlangen kann, ist eine Beschlagnahme von Immobilien rechtmäßig. Für die Beschlagnahme kommen grundsätzlich auch nur leerstehende Immobilien in Betracht. Personen aus einer Immobilie auszuweisen, um dort andere Personen unterzubringen, ist nicht zulässig, da so die Obdachlosigkeit nur von einer Person auf eine andere verlagert wird. Auch eine Anweisung zur Aufnahme von Flüchtlingen in die eigene Wohnung, wie es nach dem zweiten Weltkrieg üblich war, ist aktuell rechtlich nicht zulässig. Zudem muss die Behörde bei der Auswahl der zu beschlagnahmenden Immobilien auf deren Geeignetheit achten. Mit Blick auf die große Anzahl von Flüchtlingen werden voraussichtlich große Unterbringungskapazitäten benötigt. Große leerstehende Gewerbeimmobilien oder leerstehende Wohnblocks sind daher geeigneter als einzelne leerstehende Wohnungen. Es ist also davon auszugehen, dass die Beschlagnahmung einzelner Wohnungen von privaten Eigentümern allenfalls als allerletzte Maßnahme in Betracht gezogen werden wird.
Sollte eine Immobilie beschlagnahmt werden, steht dem Eigentümer eine Entschädigung zu. Die Höhe wird sich vorrausichtlich an der ortsüblichen Miete für ein vergleichbares Objekt orientieren. Sollte die Immobilie aufgrund der Beschlagnahme beschädigt werden, steht dem Eigentümer ein Schadensersatzanspruch gegen die Behörde zu. Zudem kann der Eigentümer gegen die Beschlagnahme rechtlich vorgehen. Da die Beschlagnahme ein Verwaltungsakt ist, muss der betroffene Eigentümer zunächst innerhalb eines Monats Widerspruch bei der zuständigen Behörde einlegen. Sollte dieser erfolglos bleiben, dann kann der Eigentümer gegen die Beschlagnahme vor den Verwaltungsgerichten klagen.
Einige Bundesländer haben inzwischen neue Regelungen für die Beschlagnahme von Immobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen verabschiedet oder bereiten dies vor. Bei diesen Regelungen handelt es sich ebenfalls um Standardmaßnahmen zur Gefahrenabwehr. Auch wenn dann eine spezielle Norm für die Beschlagnahme von Immobilien existiert, bleibt sie weiterhin nur als letztes Mittel zur Unterbringung von Flüchtlingen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
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