Anruf bei... Koordinator Housing First Nürnberg

Ein Anruf bei... Max Hopperdietzel

veröffentlicht am: 04.04.2023

Hallo Herr Hopperdietzel, schön, dass Sie sich Zeit für ein Gespräch mit uns nehmen. Vergangenes Jahr fiel der Startschuss für „Housing First Nürnberg“. Können Sie unseren Lesern das Projekt etwas genauer vorstellen?

Max Hopperdietzel: Vielen Dank für die Möglichkeit, unser Projekt der Öffentlichkeit etwas näher zu bringen. „Housing First Nürnberg“ wurde offiziell am 1. August 2022 gegründet, mit dem Ziel Teilnehmenden durch die unmittelbare Anmietung einer Wohnung eine Beendigung der Wohnungslosigkeit zu ermöglichen und ihnen so eine dauerhafte, neue Lebensgrundlage zu geben. Das Projekt ist ein Kooperationsnetzwerk aus den vier Nürnberger Vereinen mudra, Lilith, Hängematte und Straßenkreuzer.

Die Idee hinter „Housing First“ ist einfach und direkt: Am besten gegen Wohnungslosigkeit hilft eine Wohnung. Die Wohnungsvermittlung ist dabei an keine Bedingungen geknüpft, es kann aber freiwillig auf ein breites Hilfsangebot zurückgegriffen werden. Wir stehen dabei in festem Kontakt zu Mietern und Vermietern und helfen bei Problemen. Das gibt beiden Seiten eine Sicherheit.

Wie kam es zur Gründung?

Max Hopperdietzel: Ich selbst war lange Zeit Bereichsleiter bei mudra (Alternative Jugend- und Drogenhilfe Nürnberg e. V.), bin also mit vielen Betroffenen seit vielen Jahren vertraut. Bereits seit 2019 liefen die ersten Vorbereitungen für dieses, in Süddeutschland bisher erste, „Housing First“ Projekt. Das Konzept ist bereits in Städten wie Düsseldorf oder Berlin fest etabliert. Wir hoffen natürlich, dass viele Städte nachziehen werden. Bei uns hat sich das Projekt natürlich entwickelt, 2019 wurden uns, besser gesagt dem Straßenkreuzer, Wohnungen zur gezielten Vermittlung angeboten. Diese Chance wurde dann direkt ergriffen. Bis heute leben 6 der 8 Mieter und Mieterinnen in ihren damals bezogenen Wohnungen, nach zwei Todesfällen konnte die Wohnung wieder besetzt werden. Das ist ein großer Erfolg.

„Zuerst braucht der Mensch eine Wohnung. Dann können andere Probleme angegangen werden“ – wie sieht dabei die Hilfe aus?

Max Hopperdietzel: Allein in Nürnberg haben weit über 2.000 Menschen keine eigene Wohnung – und die angebotenen Notunterkünfte sind teils unzumutbar. Die Möglichkeit, auf dem normalen Wohnungsmarkt eine Wohnung zu finden, stellt sich für Wohnungslose als nahezu unmöglich dar. Negative SCHUFA-Auskunft, ein fehlendes Bankkonto und vieles mehr sind hier unüberwindbare Hindernisse. In dieser Situation eine Arbeitsstelle zu finden und in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen scheint unmöglich. Wir von „Housing First“ unterstützen dabei, dass der Mensch eine eigene Wohnung bekommt, ein menschliches Grundbedürfnis. Später können dann innerhalb der Betreuung andere Probleme angegangen werden.

Wie ist der genaue Vermittlungsablauf?

Max Hopperdietzel: Wir bekommen Wohnungen von Privatvermietern, aber auch Baugenossenschaften, wie beispielsweise der wbg, zur Vermittlung angeboten. Wir finden dann aus unseren vorgemerkten Teilnehmern den zum Objekt passenden Mieter. Wir legen dabei Wert auf persönliche Voraussetzungen und Eigenheiten. Wem eine Wohnung vorgeschlagen wird, der bekommt diese auch, sofern der Vermieter einverstanden ist. Anschließend wird der Mietvertrag direkt zwischen den beiden Parteien geschlossen. Durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Sozialamt der Stadt Nürnberg können wir wichtige Rahmenbedingungen schaffen. So erfolgen die Mietzahlungen durch eine Verzichtserklärung direkt vom Sozialamt oder Jobcenter an die Vermieter, der Abschluss einer Haftpflichtversicherung garantiert zusätzlich Versicherungsschutz. Bei all dem sind wir helfende Hand und wichtige Schnittstelle, wir helfen bei der Einrichtung eines Kontos ebenso wie bei der Ausstattung der Wohnung – alles schnell und unbürokratisch. Durch eine zu Beginn sehr engmaschige Betreuung vor Ort in den Wohnungen legen wir die Grundlage für eine langfristige, stabile Wohnsituation.

Sie möchten gezielt Vermieter und Baugenossenschaften ansprechen.

Max Hopperdietzel: Ja, denn wir sind natürlich auf die Wohnungsangebote angewiesen. Alle institutionellen und privaten Vermieter sollen durch unsere angebotene Unterstützung Hemmungen gegenüber der Zielgruppe abbauen. Durch die intensive Betreuung der Teilnehmer unsererseits haben diese zudem eine Absicherung, mit uns stehen den Wohnungseigentümern durchgängig feste Kontaktpersonen zur Seite, die in Problemfällen schnell und gezielt handeln. Was wir brauchen, ist eigentlich nur der Mut und das Engagement von Vermietern, denn die Mieteinnahmen sind garantiert.

Wer kann sich bei „Housing First Nürnberg“ bewerben?

Max Hopperdietzel: Bei uns kann sich jeder wohnungslose Mensch aus Nürnberg bewerben. Durch die Vernetzung der Vereine mudra, Lilith, Hängematte und Straßenkreuzer haben Betroffene eine Vielzahl an Anlaufstellen. Einziges Ausschlusskriterium ist akute Selbst- und Fremdgefährdung eines Bewerbers, hier helfen wir aber gerne anderweitig weiter. Aktuell haben wir aber leider mehr Bewerber als Wohnungen zur Verfügung, daher möchten wir potenzielle Vermieter direkt ansprechen und ermutigen.

Vielen Dank für das Gespräch!


Bildquelle(n): Wolfgang Gillitzer