Anruf bei... Inhaber GP Wirth Architekten

Anruf bei... Gerhard P. Wirth

veröffentlicht am: 18.09.2024

Hallo Herr Wirth, schön, Sie zu unserem Interview begrüßen zu dürfen. Können Sie uns etwas über Ihren beruflichen Werdegang und die Gründung von GP Wirth Architekten erzählen? Was hat Sie dazu inspiriert, Architekt zu werden?

Gerhard P. Wirth: Hallo Frau Brenner, zum Ende meiner Schullaufbahn beschlossen meine Eltern ein Haus zu bauen. Der Besuch des Architekten bei uns Zuhause hat mich nachhaltig beeindruckt. Er fuhr im weißen Mercedes vor, unser Wohnzimmer wurde unter der Woche aufgeheizt, was zu der damaligen Zeit sehr außergewöhnlich war, und es gab Erdnussflips sowie Orangensaft, was ebenfalls nur am Wochenende Usus war. Man mag es nun glauben oder nicht, aber am darauffolgenden Tag fuhr ich nach Nürnberg, um mich an der Fachhochschule für das Studium der Architektur einzuschreiben. Nach dem Abschluss des Studiums konnte ich drei Jahre Berufserfahrung in zwei renommierten Nürnberger Architekturbüros sammeln, bevor ich mich 1988 zusammen mit zwei Innenarchitekten als Architekt selbstständig machte. 1990 löste ich mich aus dieser Bürogemeinschaft und bezog eigene Büroräume in der Karolinenstraße mitten in der Innenstadt Nürnbergs. 1996 erfolgte die Umfirmierung in GP Wirth Architekten in einem Loft in der Nordstadt.

  

Wie haben sich Ihre Interessen im Laufe Ihrer Karriere entwickelt? Wo liegt heute der Fokus?

Gerhard P. Wirth: Die ersten 15 Jahre meines freiberuflichen Schaffens widmete ich mich zu einem Großteil der Revitalisierung von Bestandsobjekten. Hierzu zählten zu dieser Zeit z. B. Liegenschaften von Phillips, Grundig, Flachglas AG bis hin zu ehemaligen Fabriken für Tuben, Brillen sowie Reißverschlüsse in der Metropolregion. Zu dieser Zeit hatte mein Büro sowohl gewerbliche als auch viele private Auftraggeber. Ab ca. 2010 haben wir uns zunehmend dem Neubau von gewerblichen Auftraggebern gewidmet und konnten mit den hiesigen Bauträgern interessante Wohn- und Mixed-Use-Objekte realisieren. Seit 2017 haben wir uns aus dem Bereich der Baudurchführung zurückgezogen und arbeiten als reines Planungsbüro in den Leistungsphasen 1 - 5 für Projektentwickler, Bauträger sowie Investoren.

  

Sie und Ihr Team zählen als Spezialisten für Wohn- und Arbeitslofts. Ihr Credo ist dabei, „die Seele der ursprünglichen Architektur“ zu erhalten. Wie gelingt Ihnen das?

Gerhard P. Wirth: Aus meiner Sicht ist in der Architektur auch die Seele des jeweiligen Zeitgeistes der Epochen ablesbar. Denken Sie beispielsweise an den Jugendstil oder den Barock. Stellen Sie sich jetzt z. B. die damaligen Musikrichtungen vor und Sie werden feststellen, dass sich der Zeitgeist der jeweiligen Gesellschaft in der Musik wie auch in der Architektur widerspiegelt. Unsere heutige Architektursprache ist vielmals geprägt von Transparenz, Offenheit und Grenzüberschreitungen. Bei Bestandsgebäuden sehen wir unsere Aufgabe darin, die Seele des Entwurfsgedankens zu erhalten bzw. wieder aufleben zu lassen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Heimatministerium am Lorenzer Platz in Nürnberg. Dieses Gebäude wurde in den 50er Jahren vom Architekten Sep Ruf geplant und hat in den darauffolgenden Jahrzehnten durch mehrfachen Umbau viel von seiner Seele, insbesondere in den Innenräumen, verloren. Durch die Chance, dieses ehemalige Bankgebäude umzubauen, konnten wir gemeinsam mit dem engagierten Bauherren und dem Nutzer, die Seele des damaligen Entwurfsgedanken in vielen Teilbereichen wieder in seine Ursprünglichkeit zurückführen.

  

Wie integrieren Sie Nachhaltigkeit in Ihre Entwürfe und Projekte?

Gerhard P. Wirth: Ich denke, dass das Thema Nachhaltigkeit schon immer ein grundlegendes Thema in der Architektur darstellt. In der Zeit, in der wir uns vorwiegend mit der Revitalisierung von Bestandsgebäuden und Loft Projekten beschäftigt haben, war das Thema Nachhaltigkeit noch nicht auf der Agenda. Trotzdem waren unsere Revitalisierungen die nachhaltigste Form des Bauens. Wo immer es geht, versuchen wir bis heute, bestehende Gebäude zu erhalten, bevor wir uns mit der Überlegung eines Rückbaus bzw. Neubaus beschäftigen. Im Neubaubereich selbst realisieren wir fast keine Projekte mehr ohne entsprechendes Nachhaltigkeitssiegel wie beispielsweise DGNB. Bei der Gesellschaft für nachhaltiges Bauen sind wir langjähriges Mitglied.

  

Gibt es ein Projekt, auf das Sie besonders stolz sind?

Gerhard P. Wirth: Ja, das gibt es! Nach sechs Jahren Planungs- und Bauzeit konnten wir im Jahre 2014 das Projekt Sebald Kontore am Laufer Schlagturm fertigstellen. Wir nennen es das „Haus aus Stein“, da die komplette Fassade, wie auch die Dachfläche aus maßgefertigten Steinplatten mit einem Gneis aus Südschweden hergestellt wurde. Die Entwurfsplanung war ein spannender Weg zusammen mit der Stadt Nürnberg, dem Baukunstbeirat wie auch den Altstadtfreunden. In den nunmehr 36 Jahren des Schaffens meines Büros hatten wir das Glück, einen Bauherren für dieses Projekt zu gewinnen, das so in meiner Architektenlaufbahn vermutlich einmalig bleiben wird.

  

Wie sehen Sie die Entwicklung der Architekturbranche in den nächsten zehn Jahren?

Gerhard P. Wirth: Für unsere Architekturbranche sehe ich die Zukunft in zwei Richtungen gehen. Die eine Richtung ist bestimmt durch günstiges, einfaches und nachhaltiges Bauen mit Hilfe von modularen Systemen und KI-Unterstützung. Die andere Richtung wird bestimmt sein von sehr individuellen Bauwerken aller Nutzungsarten im hochpreisigen Segment.

  

Und zum Abschluss, welches Nürnberger Gebäude finden Sie besonders beeindruckend und warum?

Gerhard P. Wirth: Das ehemalige Hertie Kaufhaus an der Königsstraße. Zum einen ist dieses Gebäude ehrlicher Zeitzeuge der damaligen Architektursprache, zum anderen gibt es einen interessanten architekturpsychologischen Hintergrund gemäß meines damaligen Architekturprofessors: Der Eingang Richtung Königstraße südlich hatte bei Beginn unter dem Vordach keine Stütze. Dem Nutzer fiel auf, dass Kunden diesen Eingang mieden. Man entschied sich nachträglich eine massive Stütze einzubauen, um die offensichtlichen statischen Bedenken der Besucher zu entkräften. Es hat funktioniert – zumindest für viele Jahrzehnte der florierenden Ära dieses Kaufhauses.

  

Vielen Dank für das Gespräch!

  


Bildquelle(n): GP Wirth Architekten