Neue Wohnungsnot
veröffentlicht am: 15.12.2015
Die Baubranche boomt. In den Metropolen entstehen allerdings überwiegend hochpreisige Neubauten. Eines der drängendsten Probleme auf dem Wohnungsmarkt wird damit nicht gelöst: der Mangel an günstigen Wohnungen in Ballungsgebieten. Niedrigverdiener, Hartz-IV- oder Sozialhilfeempfänger, Alleinerziehende und Studierende ohne elterliche Finanzspritze haben auf dem freien Wohnungsmarkt kaum eine Chance.
Knapp die Hälfte der Haushalte in den deutschen Metropolen buhlt um rund 10 Prozent der frei verfügbaren Wohnungen. Das ergibt eine Analyse der Mietangebote auf immowelt.de und immonet.de, zwei der drei führenden Immobilienportale Deutschlands. Untersuchungszeitraum waren die ersten drei Quartale 2015.
Jeder zweite Berliner hätte Anspruch auf Wohnberechtigungsschein
Die Auswertung zeigt: Besonders stark ist die Diskrepanz in Berlin. Nach Angaben der Stadt hätten 55 Prozent der Haushalte grundsätzlich Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS). Auf dem freien Markt sind jedoch kaum Wohnungen in niedriger Preislage vorhanden. Maximal 7,3 Prozent der Berliner Wohnungen, die auf immowelt.de und immonet.de angeboten wurden, liegen unter der nach Vorgaben des Sozialgesetzbuches (SGB) angemessenen Mietobergrenze. Auch in Hamburg, Köln und Nürnberg besteht demnach ein erheblicher Mangel an günstigem Wohnraum – gleichzeitig liegt dort der Anteil an wohnscheinberechtigten Haushalten bei mindestens 40 Prozent. Frankfurt, München und Stuttgart machten auf Anfrage keine Angaben, wie viele Haushalte grundsätzlich Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein hätten. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Quote auch dort ähnlich hoch liegt.
Stadt |
Angebote im |
grundsätzlich WBS-berechtigte Haushalte |
Nürnberg |
6,5 Prozent |
40 Prozent |
Berlin |
7,3 Prozent |
55 Prozent |
Köln |
7,5 Prozent |
45 Prozent |
Hamburg |
7,7 Prozent |
41 Prozent |
Frankfurt |
8,7 Prozent |
keine Angabe |
München |
11,5 Prozent |
keine Angabe |
Stuttgart |
15,1 Prozent |
keine Angabe |
Dresden |
50,2 Prozent |
22 Prozent |
In Nürnberg, Berlin, Köln, Hamburg und Frankfurt sind mehr als 90 Prozent der inserierten Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen nicht bezahlbar. „Für eine wachsende Zahl der Bevölkerung wird das Wohnungsangebot immer geringer“, erklärt Immowelt-CEO Carsten Schlabritz. „Besonders in den Ballungsgebieten wird die Wohnungsnot im preisgünstigen Segment in den kommenden Jahren weiter steigen.“
Drei wesentliche Gründe für die Wohnungsnot
- Immer mehr Menschen zieht es in die Metropolen. Städte wie München und Berlin locken besonders junge Menschen mit der Aussicht auf qualifizierte Ausbildung, Arbeit, kulturelle Vielfalt und Lifestyle.
- Die Zahl der Menschen mit geringem Einkommen nimmt weiter zu. Der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht in seinem aktuellen Armutsbericht von einem Rekordhoch der Armutsquote. Der europaweite Flüchtlingsstrom wird die Situation auf dem Wohnungsmarkt in den kommenden Jahren zusätzlich verschärfen.
- Der Bau von günstigem Wohnraum lohnt sich nicht mehr. Für Investoren sind Neubauwohnungen mit Mieten unter 10 Euro kaum noch profitabel. Das liegt vor allem an den steigenden Grundstücks- und Baukosten, den strengen Energieeffizienz-Vorschriften sowie den zu geringen finanziellen Anreizen durch die Wohnraumförderung.
„Verändere Deine Stadt“
Seit zwei Jahren unterstützt immowelt.de mit der sozialen Initiative „Verändere Deine Stadt“ Menschen in Wohnungsnot bei der Suche nach einem bezahlbaren Zuhause. Die deutschlandweit einzigartige Online-Plattform bringt Vermieter und hilfsbedürftige Wohnungssuchende kostenlos zusammen.
Weitere Infos gibt es auf www.veraendere-deine-stadt.de .
Berechnungsgrundlage
Untersucht wurde das Wohnungsangebot in den Städten Nürnberg, Berlin, Köln, Hamburg, Frankfurt, München, Stuttgart und Dresden.
Analysiert wurde der Anteil an Wohnungen, die den Vorgaben des Sozialgesetzbuches (SGB) für angemessene Wohnkosten der jeweiligen Stadt entsprechen. Als Grundlage diente das Gesamtangebot der Inserate auf immowelt.de und immonet.de hinsichtlich der vorgegebenen städtischen Mietobergrenzen.
Untersuchungszeitraum: Januar bis September 2015
In Hamburg, Frankfurt und Stuttgart konnte mit Nettokaltmieten gerechnet werden. In den übrigen Städten wurden zur Vergleichbarkeit von den Bruttokaltmieten die kalten Betriebskosten abgezogen.
Mietobergrenzen am Beispiel Berlin
Untersucht wurde die Zahl an Wohnungen mit:
- 0 bis 50 Quadratmetern und einem Preis von bis zu 285,50 Euro (1 Person)
- über 50 bis 60 Quadratmetern und einem Preis von bis zu 342,60 Euro (2 Personen)
- über 60 bis 75 Quadratmetern und einem Preis von bis zu 399,75 Euro (3 Personen)
- über 75 bis 85 Quadratmetern und einem Preis von bis zu 453,05 Euro (4 Personen)
- über 85 bis 97 Quadratmetern und einem Preis von bis zu 526,71 Euro (5 Personen)
- für jedes weitere Haushaltsmitglied +12 Quadratmeter und +65,16 Euro